Dezember 2016 - Der Süden Brasiliens:
Wasserfälle von Iguaçu, Rio Grande do Sul, Jesuitenmissionen

Reisebericht Dezember 2016

Weihnachten steht vor der Tür. Auch im Süden Brasiliens merkt man dies in manchen Städten enorm. Wir entziehen uns dem Rummel und dem Getümmel aus Kitsch und Einkaufswut und geniessen die wilde Natur mit ihren Wasserfällen, Bergen und europäisch anmutenden Landschaften.


Gefahrene Distanz: 3'634 Km

Link zu Google Maps 


Reiseroute: 

BRASLIEN:
Blumenau - Balneário Camboriú - Nova Trento - Governador Celso Ramos - Florianópolis - Ilha de Santa Catarina - Parque Nacional de São Joaquim - Serra do Rio do Rastro - Parque Nacional da Serra Geral - Parque Nacional Aparados da Serra - Canela - Gramado - Bento Gonçalves - Passo Fundo - São Miguel das Missões

ARGENTINIEN: 
Posadas - San Ignacio Miní



                                                



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Im Osten geht die Sonne auf

Im Süden nimmt sie ihren Lauf

Im Westen wird sie untergehn

Im Norden ist sie nie zu sehn



Spätestens seit dem 30. November haben wir diesen Spruch neu für uns adaptieren müssen. Als wir den südlichen Wendekreis der Sonne (den Wendekreis des Steinbocks) das letzte Mal überquerten war klar, die Sonne hat es nicht geschafft uns auf dem Weg in Richtung Süden nochmal einzuholen. Ab jetzt nimmt die Sonne für uns definitiv im Norden ihren Lauf und wird im Süden garantiert nicht mehr zu sehen sein.


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Der Dezember beginnt für uns sehr feucht. Nicht das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung, nein, es ist das Wasser der riesigen Wasserfälle von Icuaçu die uns ungewollt duschen lassen. Jan war vor etwa 20 Jahren schon mal hier und schwärmt mir schon lange von diesem mächtigen Wassersturz vor. Aber dass diese Naturgewalt so riesig und energiegeladen sein würde, davon konnte ich mir wirklich keine Vorstellung machen. Dabei sind es nicht nur die Wasserfälle, welche uns Gänsehaut verschaffen. Auch die herrliche Natur, in der dieses UNESCO-Weltnaturerbe eingebettet ist, ist traumhaft schön und verzaubert uns.


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Die Wasserfälle von Brasilien aus betrachtet, in Richtung Argentinien


Das Wasser des Rio Icuaçu kommt von den weit entfernten Küstengebirgen in Paraná und Santa Catarina. Unterwegs münden noch ein paar Dutzend Nebenflüsse ein, so dass sich letztendlich ein breiter Wasserlauf durch eine herrliche Waldlandschaft schlängelt, bevor die Fluten tosend in die Tiefe stürzen. Total sind es 275 Wasserfälle, die sich auf ein Gebiet von mehr als 3 km ausbreiten und ein Gefälle von 80 m überwinden müssen. Unser Reiseführer schreibt „die Icuaçufälle seien breiter als die Victoriafälle und höher als die Niagarafälle und wahrscheinlich spektakulärer als beide zusammen“. Kein Wunder wollen wir dieses Naturereignis nicht nur von der brasilianischen Seite aus bestaunen, sondern machen noch einen Tagesausflug auf die argentinische Seite des Flusses, um auch von dort das Wasserschauspiel und die dazugehörende Natur geniessen zu können. Jan hatte absolut Recht, Die Wasserfälle von Iguaçu muss man unbedingt gesehen haben. Dies ist eine Naturschönheit ersten Grades. Wir sind dankbar für diese herrliche Welt.


Auf der argentinischen Seite mit vielen kleinen und grossen Fällen, einige sind nah begehbar.

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Ein Vorhang aus weiss stäubendem Wasser legt sich vor
die Felswand

Bis ganz nah an die Absturzkante führen die Wege entlang der Fälle, hier mit Blick flussabwärts







Das Wasser brüllt als ob es böse wäre über das plötzliche Aufwecken, des sanft dahin fliessenden Flusswassers zum
tosenden Wassersturz


Der Diabolo - das grösste Becken mit einem freien Fall von 80 Metern in die Tiefe, ins Nirgendwo

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Hier im Dreiländereck von Brasilien-Argentinien-Paraguay gibt es nicht nur natürliche Schönheiten, sondern auch von Menschenhand gemachte irrsinnig grosse Sehenswürdigkeiten, wie z. B. den Itaipu-Staudamm. Die Länge von knapp 8 km und die Höhe von 65 Stockwerken (ca. 200 m) machen ihn zum zweitgrössten Staudamm der Welt. In der Effizienz ist das Bauwerk seinem chinesischen grösseren Bruder allerdings ganz klar überlegen. Bei der Führung durch das Gelände merkt man, dass die Arbeiter hier sehr stolz sind auf diese gigantische Meisterleistung. Da es sich um ein paraguayanisch-brasilianisches Gemeinschaftsprojekt handelt, haben beide Länder ursprünglich jeweils zu 50% Anrecht auf den erzeugten Strom. Ausserdem wurde der im Staudamm erzeugte Strom auf einen Preis weit unter dem Marktwert festgesetzt. Fakt ist, Paraguay braucht nur 20% der erzeugten Energie um 80% seines Landesbedarfs abzudecken und somit konnte Brasilien sehr günstig über die übrigen 80% verfügen. Erst im Juli 2009 wurde der Vertrag zu Gunsten Paraguay angepasst, um ein wirtschaftliches Gleichgewicht wieder herzustellen. Ach ja, bei einer Führung durch das riesige Bauwerk wird allerdings nicht erwähnt, dass etwa 700 qkm Natur, mit Wald und Wasserfällen einfach vernichtet wurden. Es gibt immer ein Für und ein Wider…


Die mächtige Mauer von oben fotografiert…                            … mit den gewaltigen Wasserrohren

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Die „Ablass-Schanze", welche nur ein paar wenige Male pro Jahr geöffnet werden muss, dann wenn der See zu voll ist

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Im Inneren der Staumauer können wir ganz an die Turbinen respektive Generatoren ran gehen; eine gewaltige Kraft welche hie und da sogar die Betonwände der Staumauer leicht erzittern lässt

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Ein Überblick zur Staumauer


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Eines der Kontrollzentren: hier wird das Stromnetz nach Brasilien und Paraguay überwacht. Die Mitarbeiter kommen immer je zur Hälfte aus den beiden Ländern - ob sie sich in Spanisch oder Portugiesisch austauschen wissen wir nicht.




Dreiländer-Eck Brasilien/Argentinien/Paraguay -
der Fluss ist die Grenze

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Auf unserem Weg nach Foz do Icuaçu kündigen viele Werbeplakate das Steuerparadies Paraguay an und machen Werbung für die unzähligen Einkaufszentren auf der anderen Seite der Grenze. Wenn wir nun auch schon mal so nah an Paraguay sind, gehen wir doch gleich mal shoppen. Unser iPad, das uns nicht nur als Kartenmaterial, bzw. als Navigationsgerät dient, sondern uns auch bei der Budgetberechnung und dem Speichern von Sehenswürdigkeiten hilft, scheint langsam den Geist aufzugeben. Der Touch-Screen macht was er will. Also entscheiden wir uns eben im steuergünstigen Paraguay ein neues iPad zu kaufen, damit die bösen Flüche im Indi endlich wieder weniger werden.


Neues Land, neue Eindrücke. Die Brücke über den Rio Paraná bildet die Grenze zwischen Brasilien und Paraguay und als wir zu Fuss ins neue Land eintreten (wir sind im Stau einfach aus dem Linienbus ausgestiegen), hauen uns die neuen Eindrücke schier aus den Socken. Es handelt sich um eine andere Welt. Die tothässliche Stadt Ciudad del Este mit ihren grässlichen Hochhäusern, besteht aus einem Gewimmel von Menschen. Überall ist es schmutzig. Von den Klimaanlagen an den Häusern tropft das Kondenswasser auf die Köpfe. Hier ist die Hölle los. Heute ist Samstag und wahrscheinlich befindet sich mit uns auch noch die Hälfte der brasilianischen Bevölkerung auf Shoppingtour hier in der Grenzstadt. Viele Marktstände füllen die engen Strassen und Gassen, die Einkaufszentren sind voll, der Verkehr rollt nicht, sondern stockt. Ein Lärm und Getümmel welches wir schon lange nicht mehr so erlebt haben. Auf der einen Seite geniessen wir es und halten mit dem ein oder anderen Standbesitzer ein kurzes Schwätzchen (yes, endlich mal wieder auf spanisch), auf der anderen Seite halten wir unsere Taschen gut fest und passen darauf auf, dass uns unser neu erstandenes iPad nicht gleich wieder entrissen wird. Dieser Einkaufsbummel wird uns als spannendes Erlebnis in Erinnerung bleiben.


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Auch die Busfahrt von Paraguay zurück nach Brasilien zu unserem Indi ist anders … wir kommen uns wieder wie in Peru vor. Viele Farben, viel Lärm, klapprige Busse - aber es funktioniert doch und es wird uns überall wo nötig geholfen.




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Zurück an der Atlantikseite Brasiliens erwartet uns nochmal Strand und Meer. Die Stadt Balneário Camboriú (dem Rio des armen Mannes) bietet kilometerlange Sandstrände und eine Skyline die sich geschnitten hat. Im krassen Gegensatz dazu steht das reizende Kolonialstädtchen São Francisco do Sul, welches 1504 von Franzosen gegründet wurde und somit Brasiliens drittälteste Stadt ist. Entlang der Küste gelangen wir immer wieder an schöne Plätzchen am Meer welche zum Verweilen einladen. Das historische Zentrum der Grossstadt Florianópolis gefällt uns sehr gut. Die Insel auf die diese Stadt gebaut ist gefällt uns noch besser. Hier bleiben wir ein paar Tage, geniessen ein letztes Mal den Atlantik, machen eine herrliche Wanderung durch die Wälder entlang der Küste und lernen nette Menschen kennen, welche uns spontan auf ein Churrasco einladen.

Küstenlandschaft auf der Insel von Florianópolis


Die Wälder sind sehr abwechslungsreich - mal sehr grün mit tropischen Pflanzen, mal trocken mit Kakteen … und immer wieder peitscht die Gischt die Felsen hoch

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Unterschiedliches Fleisch an vielen Spiessen wartet auf uns ...

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Exkurs:                                                                          

Die Brasilianer lieben Churrasco! Ein Churrasco (sprich Schuhasko mit Betonung auf a) ist mit einem Spiessbraten zu vergleichen. Auf deutsch würden wir aber Grill-Fest sagen. Das Fleisch wird in jeglicher Form auf Spiesse gesteckt und über glühenden Kohlen gebraten. Manche lassen den Spiess einfach weg und legen das gut gesalzene Stück Fleisch direkt auf den Grillrost. Wenn es gar ist wird es in mundgerechte Stücke geschnitten und jeder nimmt sich vom Schneidbrett ein Stück Fleisch runter. Dabei kann es sich um Rind, Schwein, Lamm oder Geflügel halten. Egal ob Würste oder Lende, in einer Churrascaria (Restaurant, das sich auf Churrasco spezialisiert hat) gibt es Fleisch soviel das Herz begehrt. Bietet das Lokal die Variante „rodizio“ an, heisst das der Kellner kommt stetig mit einem anderen Fleisch- oder Wurst-Spiess vorbei und man kann sich so oft was abschneiden lassen, bis man satt ist. Ein Traum für Fleischesser, wie wir es sind. Als Beilage gibt es wie auch in Europa Salate, Gemüse, Mais, Brot, usw. Was in Brasilien beim Churrasco jedoch nie fehlt ist Farofa, ein geröstetes Maniokmehl, in welches die Fleischstücke vor dem Verzehr eingetunkt werden können. Lecker!!!



Man wählt sein Stück am Spiess aus
und hievt es mit seinem Besteck
direkt auf den Teller.








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Entlang der Atlantikseite sind die Staaten Santa Catarina und Rio Grande do Sul durchzogen von einem Gebirgszug, welcher zur Ostseite hin steil abfällt. Die Natur hat hier ebenfalls grossartiges geleistet. Man befindet sich auf einem Plateau über 1’000 Höhenmetern und plötzlich reissen riesige Canyons das Gebirge auf und die Hänge brechen steil ab. An manchen Stellen haben wir Sicht bis zum 60 km entfernten Meer. Eine traumhafte Gegend mit idyllischen Wasserfällen und beeindruckenden Aussichtspunkten. Man findet hier in den wunderbaren Naturparks kaum Touristen und so ist man nur mit sich selber in der Natur unterwegs. Ein harmonisches Dasein in einsamer Zweisamkeit. 

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Nicht nur das Wandern ist hier ein Vergnügen, auch die Fahrten mit unserem Indi durch die einsamen Gegenden machen uns Spass. Wenngleich wir manchmal vor Herausforderungen stehen, die sich im Nachhinein als riesen Spass entpuppen. So geschehen bei einigen Wasserdurchquerungen, wo wir zu Beginn die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben und es im Endeffekt hinterher nur lustig war so etwas zu erleben.

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Und wieder mal eine vertrauensvolle Brücke  ...





… und dann gar keine Brücke mehr. 


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Bei diesem Fluss wird es eine lange Durchquerung; vor der Durchquerung gehen wir meist selber durch das Bachbett und suchen alle Stellen ab. Tiefe Löcher und grosse Steine sind zu umgehen, mit Algen überlagerter und schräg verlaufender Felsen zu meiden.




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Aber der Indi macht sich ganz gut … und fährt trockenen Fusses wieder auf festes Land. Ca. 500 Meter breit ist der Fluss, aber zum Glück nicht tief und ohne grosse Strömung.







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Wir befinden uns bereits in einer Region, in der viele Nachkommen von Auswanderern aus Europa leben. Dementsprechend treffen wir immer wieder auf Menschen, die noch von ihren Eltern oder Grosseltern deutsch sprechen gelernt haben, es ausserhalb ihres Elternhauses jedoch nie anwenden konnten. Man merkt sichtlich wie sich die Leute freuen, dass wir ihr deutsch überhaupt verstehen. 


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Fachwerkhäuser in Blumenau

Zwar kommen da manchmal komische Sachen raus wie „Was tut Ihr fressen?“, aber die freundlichen Menschen sind sehr stolz auf ihre europäische Herkunft und wir geben ihnen gerne Auskunft über das Herkunftsland ihrer Ahnen.



Die Jugend des lokalen Trachtenvereins



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In der Region um die Städte Blumenau und Pomerode gibt es unzählige Brauereien, die „deutsches“ Bier wie Weizen, Lager oder sogar Bockbier brauen. Die Stadtzentren dieser Städte sehen mit ihren Fachwerkhäusern wirklich sehr deutsch aus. Auch Gramado und Canela können ihre ursprünglich deutschen Einwohner nicht verleugnen. In den zwei zuletzt genannten Städten wollten wir eigentlich die Weihnachtsfeiertage verbringen. Gibt es hier doch Weihnachtsmärkte und Strassenparaden, Weihnachtsshows und unzählige Christbäume entlang der Hauptstrassen. Für uns ist der Rummel aber zu gross und die Weihnachtsdekoration überall an den Häusern viel zu kitschig. Deshalb begnügen wir uns mit einem Zwischenstopp in den Städten, lassen uns mit „Jingle Bells" und „O du Fröhliche“ berieseln, sehen uns in den Kirchen die bereits aufgestellten Krippen an, machen noch einen Kurzbesuch beim Weihnachtsmann und rollen dann weg von dem touristischen Weihnachts-Gehabe, weiter in Richtung Osten.

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Den Ventilator, der zur Milderung der Hitze beitragen soll, haben wir im Bild weggeschnitten - der liebe Samichlaus/Weihnachtsmann/ Santa Claus (es gibt viele Namen für diesen
Mann) sieht ja auch sehr erschöpft aus.



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Der Weihnachtsmarkt, … 


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 … die Kommerzialisierung dieser Zeit … 


… sowie die Weihnachtsbäume, welche teilweise tatsächlich echte Nadelbäume sind. Alles genau so wie bei uns zu Hause.



Natürlich darf die Weihnachtsbeleuchtung nicht fehlen. Hier unser Blick aus dem Indi bei einem Schlafplatz irgendwo in Santa Catarina.

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Das war die beste Entscheidung die wir treffen konnten. Denn in der Gegend um die Kleinstadt Bento Gonçalves kommen wir uns vor wie in der Toscana. Hier leben vorwiegend Nachfahren italienischer Auswanderer welche selbstverständlich auch die Kunst des Weinanbaus und ihre Küchentraditionen mitgebracht, sich bewahrt und sogar verbessert haben. Wir besichtigen verschiedene Weinkellereien und eine Cachaça-Brennerei. Entlang des in Weinberge eingebetteten und sehr interessanten „Caminhos de Pedra“ kann man die Auswanderer-Familien in ihren Häusern besuchen und viel über ihre Geschichte erfahren. Ausserdem gibt es Salami und Pesto zu kaufen. Wir geniessen dies natürlich in vollen Zügen.


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Hier gibt es keinen Weihnachtsrummel, hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein und die Menschen bedächtiger. Ja so kann Weihnachten kommen. Wir bekommen an Heilig Abend einen sehr ruhigen Stellplatz neben einer offenen Krippe, stellen im Indi unseren Christbaum auf (loben ihn natürlich ein paar Mal) und feiern Weihnachten.

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Unser Christbaum vor der Bescherung



Wir wollen uns mit einem feinen Essen in einem guten Restaurant beschenken und nirgends könnte man das hier besser machen als im Vale dos Vinhedos. Anscheinend sind wir fürs Mittagessen schon ein bisschen spät dran, denn als wir das feine italienische Restaurant betreten kommen uns bereits die letzten Gäste entgegen und uns wird mitgeteilt, dass sie jetzt eigentlich zumachen. Jedoch sei es aber gar kein Problem für sie noch was „à la carte“ für uns zu kochen. Dieses Angebot nehmen wir sehr gerne an und so sitzen wir zwei einsam in einem allererste Klasse-Restaurant mit Sicht in einen schönen Garten und geniessen mit Filet, Risotto und einer guten Flasche Rotwein das Fest für den Gaumen. Ein italienischer Espresso beschliesst das Menü und der Kellner ist froh, als wir eine Stunde später die „Tratoria Mamma Gema“ verlassen und wir ihn in den wohlverdienten Feierabend entlassen.





Apropos Ausländer-Freundlichkeit: Angeblich ist das Personal in Hotels, Restaurants und anderen Gast- oder Dienstleistungsgewerben zu europäischen Ausländern viel freundlicher, als zu einheimischen Touristen. So erzählt uns Ilaine, eine in Dänemark lebende und sehr gut deutsch sprechende (weil Deutsch-Lehrerin) Brasilianerin, dass sie in ein Hotel eingecheckt sind und das Personal dachte sie sei eine normale Brasilianerin. Als sich herausstellte, dass sie und ihr Mann Hermann aus Europa sind, haben sich die Angestellten entschuldigt und gesagt, man hätte das Pärchen anders empfangen und sich besser um sie gekümmert, wenn man gewusst hätte, dass sie aus Europa sind. Tja…

Mein Kommentar dazu ist, egal ob Dienstleistungsgewerbe oder nicht, in Brasilien haben wir nur nette und aufmerksame Menschen kennen gelernt. Muss man woanders für einen Stellplatz zum Übernachten etwas bezahlen, haben wir was geschenkt bekommen, bzw. sind auch noch eingeladen worden. Und das ist uns nicht nur einmal passiert. Egal ob im National-Wald, an der Tankstelle oder im Naturpark, ein Gast-Geschenk als Erinnerungsstück durften wir häufig mitnehmen.




Wir kaufen unsere Ausrüstung zum Mate-Trinken
und werden gleich in die Präparierung eingewiesen.

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Nochmal zum Thema „sind eingeladen worden“: Während wir im nördlicheren Teil Brasiliens öfters mal auf einen Cachaça (hochprozentiger Zuckerrohrschnaps), bzw. eine Caipirinha (Cocktail aus Cachaça mit Limette, Zucker und zerstossenem Eis) eingeladen wurden, war es im südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul neben dem Churrasco (welches dort das beste in Brasilien ist), der Mate, der bei jeder Gelegenheit und in geselliger Runde von Männern und Frauen getrunken wird. Dieses Lieblingsgetränk der Gaúchos wird wie Tee aufgegossen und meist heiss durch ein Rohr getrunken. Wird man zum Mate-Trinken eingeladen gibt es ein Trinkgefäss aus dem alle trinken. Hat man ausgetrunken geht der Chimarrão an den Gastgeber zurück, dieser füllt ihn mit neuem Wasser auf und reicht es an den nächsten in der Runde weiter. Gibt man die Kalebasse (ursprünglich ein ausgehöhlter Flaschenkürbis) mit einem „Obrigado“ (Danke) an den Gastgeber zurück, weiss dieser, der Gast möchte nun nicht mehr an der Trinkrunde teilnehmen und hatte genug Mate. Inzwischen sind auch Jan und ich stolze Besitzer einer echten Cuia (Kürbis) und einer Bomba (Trinkrohr mit kleinem Sieb unten dran) und geniessen (wenn es nicht zu heiss ist) den herben erva maté.





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Exkurs: 

Die Pflanze aus der Mate gemacht wird ist kein echter Tee. Es handelt sich viel mehr um einen Baum (oder Strauch) welcher zur Gattung der Stechpalmen gehört (Ilex paraguariensis). In Brasilien werden für die Herstellung des Chimarrão sowohl die Äste als auch die Blätter verwendet. Um ihn zu trinken befüllt man das Trinkgefäss ca. 3/4 mit Mate und schüttelt es an eine Seite des Becherrandes, so dass die andere Seite frei bleibt um die Bomba reinzustellen und den ersten Aufguss mit lauwarmen Wasser zu vollziehen. Man kann den Mate jetzt ein wenig quellen lassen, bevor man ihn mit heissem (noch nicht kochendem!) Wasser auffüllt. Salude!







Wieder mal schmeissen wir unsere Reisepläne komplett über den Haufen. Eigentlich wollten wir von hier aus weiter in Richtung Süden und nach Uruguay rollen. Kurzerhand ändern wir diesen Plan und entscheiden uns für den Westen und somit für die direkte Fahrt nach Argentinien. Auf dieser West-Route liegen die geschichtsträchtigen Missions-Ruinen der Jesuiten-Reduktionen.






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Die Geschichte der Missionen kurz zusammen–gefasst: 1608 befahl der Gouverneur der spanischen Provinz von Paraguay dem Jesuitenführer, die einheimischen Tupi und Guarani zu konvertieren. Daraufhin bauten die Jesuiten viele Missionen in der Region Südbrasilien, Südparaguay und Nordargentinien. Die Reduktionen wurden Zentren für Kultur, Bildung und Religion, jedoch ohne die Kultur oder Sprache der Ureinwohner zu vernichten. Von Beginn an wurden die Jesuiten-Siedlungen von sog. bandeirantes (Banden von Paulistas) bedroht, welche nach Gold suchten und die índios versklavten. Tausende índios wurden gefangen und letztendlich blieben in den 1630er-Jahren noch 30 Missionen übrig. Die auf ihre Unabhängigkeit bedachten Jesuiten waren so erfolgreich in ihrer Arbeit, dass dies Rom bzw. den spanischen und portugiesischen Königen gar nicht mehr gefiel. Der Vertrag von Madrid von 1750 schrieb vor, dass die Missionen unter portugiesische Herrschaft gestellt werden sollten und den Guaraní wurde 1754 befohlen ihr Land zu verlassen. Die Guaraní weigerten sich und so kam es zum Krieg. 1756 griff eine spanisch-portugiesische Armee die Stätten an, tötete mehr als 1’500 índios und verkauften noch viel mehr als Sklaven. Wer diese Geschichte gerne in bewegten Bildern sehen würde, dem empfehle ich den Film „The Mission“ von 1986 mit Robert De Niro anzusehen.




Wir besuchen in São Miguel das Missões die besterhaltene Mission in Brasilien, welche 1687 gegründet wurde. In diesem UNESCO-Kulturerbe wurden zur Blütezeit 4’200 Indianer von den Jesuiten unterrichtet. Im Touristen-Informations-Büro wird die Ton- und Lichtshow gross angepriesen, welche am Abend stattfinden soll. Uns wird mehrfach bestätigt, dass die erste Vorführung um 21:30 Uhr auf portugiesisch sein wird und um 22:30 Uhr eine weitere Show in Englisch stattfindet. Klar wollen wir die spätere englische Version sehen. Ca. um 22:00 Uhr erzählt uns ein Wächter, dass es keine zweite Show geben wird. Wir sind bitter enttäuscht. Wenn wir das gewusst hätten, wären wir um halb zehn rein. Der Wächter erkennt unsere Enttäuschung und bringt Jan zum Chef des Geländes. Jan schafft es, dass die zweite Vorstellung nun doch noch stattfindet. Bereits um 22:20 Uhr stehen wir mit unseren bequemen Klappstühlen am Eingang zur Mission und warten auf Einlass. Uns strömen Zig Menschen entgegen, welche in der ersten Darbietung waren und wir müssen erst mal 5 Minuten warten bis die alle raus sind. Als wir unser Ticket kaufen wollen verkauft uns der Herr an der Kasse ein Billet zum Normalpreis und das andere zum Kinderpreis. Warum? Weil er uns auf unseren grossen Schein nicht rausgeben kann und unser Kleingeld nicht für 2 Erwachsenen-Tickets reicht. So kommt es, dass Jan und ich ganz einsam vor den Missions-Ruinen sitzen und die Sound- and Light- Show ganz alleine für uns in englisch abgespielt wird. Was für ein Erlebnis.


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São Miguel das Misões. Ein Nickerchen in Ehren bei dieser Hitze ist erlaubt, da doch die anstehende Lichtshow weit in die Nacht andauert.


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Der Grundriss, welcher bei allen Missionen ähnlich ist, erinnert uns an ein Militär- oder gar Konzentrationslager. Die Anlagen werden aber Reduciones (von Reduktion) gennant. Die Idee hinter der sehr konzentrierten Wohnsiedlung ist der Schutz gegen die Feinde.











Am 30. Dezember verlassen Jan und ich mit unserem Indi über den Grenzübergang bei São Borja Brasilien.



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Anekdote: Während der Adventszeit suchen wir erfolglos nach weihnachtlich bedruckten Servietten. Komisch, in der Schweiz oder in Deutschland gibt es die in 20er-Packungen in den verschiedensten Designs zu kaufen. Aber hier in Brasilien suchen wir vergeblich. Letztendlich entdecken wir in einer Papeterie im „deutschen“ Städtchen Blumenau unsere längst gewünschten Weihnachts-Servietten. Allerdings werden die hier nicht im 20er-Pack, sondern einzeln teuer verkauft. Eine einzige Serviette mit Weihnachts-Aufdruck kostet umgerechnet einen knappen Franken. Wir schauen der Verkäuferin ungläubig ins Gesicht. Sie meint es tatsächlich ernst. Jan und ich grübeln. Wir sind ja eigentlich die Sparsamen, aber wir gönnen uns wenigstens zwei Servietten für den Weihnachtsabend. Sorgfältig verstaue ich die zwei Luxus-Servietten im „Büro“ zwischen den Papieren. Am 30. Dezember holen wir für den Grenzübergang unsere Dokumente hervor und plötzlich fällt es uns wie Schuppen von den Augen: wir haben an Weihnachten unsere teuren Servietten vergessen. Wir beschliessen diese am 5. Januar anlässlich unseres zweiten Hochzeitstages zu benutzen. Wenn wir es dann nochmal vergessen bleibt das Dreikönigsfest.







ARGENTINIEN

Im Norden Argentiniens besuchen wir drei weitere Ruinen von Jesuiten-Reduktionen: San Ignacio Miní, Nuestra Señora de Loreto und Santa Ana. Von einem einheimischen Führer durch die Ruinen in Loreto erfahren wir nicht nur viel über die Geschichte der Missionen, sondern er erklärt uns auch die Unterschiede des Mate-Trinkens von Argentinien im Vergleich zu Brasilien. Gracias Marcelo.


Eine der bekanntesten Missionen in Argentinen, die San Ignacio Miní:











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Die Mission Nuestra Señora de Loreto versinkt im Dschungel. Die Unesco will diese Anlage so beibehalten. Die Ruinen und der Ort strahlen etwas Mystisches aus; es fehlten nur noch die Eingeborenen.









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Die Mission Santa Ana - man kann sich die Gebäude und die Anordnung der Anlage gut vorstellen.












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Das Jahr endet für uns in der ruhigen Einsamkeit des Regenwaldes. Der Himmel bietet uns ein Schauspiel der Extraklasse. Beim Sonnenuntergang leuchten gigantische Cumulus-Wolken vom Himmel welches nahtlos in ein stundenlanges Wetterleuchten übergeht. Zwar stossen wir bereits um 20:00 Uhr mit unserem feinen Sekt aus dem Vale dos Vinhedos aufs neue Jahr an und wünschen uns gegenseitig nur das Beste (seit der Grenze sind wir wieder 4 Stunden hinterher), aber weil der Himmel uns ein erstklassiges natürliches Feuerwerk bietet, fallen wir erst nach Mitternacht zufrieden ins Bett.


Wir wünschen uns für 2017 eine gute Reise ohne Komplikationen und vor allem Gesundheit, Gesundheit, Gesundheit!




Unsere bleibenden Eindrücke aus Brasilien:

„Alles ist anders!“ Dieser Satz begleitete uns die ganzen 10 Wochen, die wir uns in Brasilien aufhielten. Von der Steckdose zum Gasanschluss über die Sprache bis zu den Frauen, die man wieder hinter den Lenkrädern sieht. Alles ist anders.

Die Menschen sind aufgeschlossen und liebenswert, aufmerksam und hilfsbereit. Ausserdem, seit den USA haben wir keine Jogger mehr gesehen. In Brasilien sieht man sie ständig und überall in den Parks und auf den Strassen laufen. Das Land riesig, die Landschaften gewaltig. Nur die Natur, die kommt unserer Meinung nach aufgrund der vielen Landwirtschaft zu kurz. Hunderte Kilometer Monokulturen mit Soja oder Mais, riesige Flächen mit Zuchtwald und Rinderweiden. Wo bleibt da Platz für die ursprüngliche Natur?

Dennoch, Brasilien als Reiseland möchten wir in jedem Fall empfehlen. Kommt man gerne mit den Einheimischen in Kontakt, ist eine Grundkenntnis der portugiesischen Sprache nötig. Es lohnt sich! mb




Dir lieber Leser, unseren Familien und Freunden, unseren Verwandten und Kollegen, unseren Bekanntschaften und weiteren lieben Menschen die wir kennen lernen durften, wünschen wir für 2017 alles Gute und ebenfalls viel Gesundheit.





Plan für den Januar:

Wir durchqueren den Norden Argentiniens in westliche Richtung, sehen uns die Städte Córdoba und Mendoza an und freuen uns auf die erfrischend kühlen Anden.



© Copyright by Jan Hiddink und Marita Bottner  - 2014/2015/2016